Zur Eröffnung

Die Lacan’sche Psychoanalyse, hierzulande einst als Gegenströmung zur institutionalisierten Psychoanalyse für Turbulenzen sorgend, hat sich zunehmend etabliert. Neben regionalen Gruppen und Vereinen ist ein überregionaler Verband (die AFP) entstanden und rangiert ein europäischer Verband, (die Fondation Européenne pour la Psychanalyse) als Dachorganisation; auf deren Überhöhung durch eine zweite Lacaniansche Internationale (neben der schon existierenden Miller’schen) man möglicherweise nicht mehr lange warten wird. Die symbolischen Auswirkungen dieser Gesellungspolitik sind nicht zu übersehen: Repräsentationswünsche und Machtverknotungen nehmen immer mehr Einfluß auf die Ausrichtung der Arbeit; diplomatische Kalküls und nicht zuletzt die (unvermeidlichen?) berufsständischen Sicherungserwägungen drängen in den Vordergrund. Wieweit darüberhinaus die Psychoanalyse durch die Rückbesinnung auf Falldarstellungen und Favorisierung der „Klinik“ wieder einmal standardisiert und medizinalisiert werden soll, bleibe dahingestellt. Tendenziell läßt sich aber der Eindruck nicht abweisen, daß auch Lacanianer sich mittlerweile marktgerecht orientieren.

Dieser Politik wollen wir entgegentreten. Mit der Psychoanalyse ist kein konsistenter Diskurs zu machen. Sie ist, wie ihr Name sagt, buchstäblich Zerlegungsarbeit. Wir mögen die Konsis-tenz von Körperschaften durchaus als Wunsch begreifen (auch als unseren eigenen) – stützen kann sich der psychoanalytische Diskurs nicht darauf. Die Synthese, sagt Freud, das stellt sich her, darum müssen Sie sich nicht sorgen. Die Psychoanalyse ist dennoch keine Privatangelegenheit. Praktisch wie theoretisch sehen wir sie geknüpft an die beileibe schwere Kunst, eine eigene Spreche zu finden- eine Kunst, die in keinerlei Institution zu sichern ist. Ihr Einsatz wäre ein Sprechen, das nicht auf Lacanianische Formalismen und Definitionsmacht vertraut und das dazu anstiftet, jenseits berufsständischer Erwägungen eigene Sicherheiten zu riskieren. Praktisch sehen wir die Psychoanalyse nicht an Couch und Sessel gebunden, sondern erkennen ihre Umsetzung auch in „anderen Versuchen“, mit dem Unbewußten zu sprechen. Couch und Sessel finden wir in metapsychologisch-topologischen Übungen eher wieder als in Falldarstellungen. In diesem Sinne möchten wir den Versuch starten, und Lust und Arbeit am Text (der Bücher und der Subjekte) erneut und ausschließlich ins Zentrum stellen. Wobei wir das Jenseits dieser Lust nicht ausklammern, sprich das Zersetzende, Unsoziable, Dissonante darin. Wir unternehmen diesen Versuch, weil Psychoanalyse nur existiert, wie sie praktiziert, umgesetzt wird.

Berlin, den 3.12.1997

Eva Maria Jobst

Susanne Lüdemann

Edith Seifert

Mai Wegener