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Liebe Freundinnen und Freunde des Psychoanalytischen Salons, verehrte Gäste!
In unsere Einladung zum heutigen Abend hat sich in einem unbewachten Augenblick das Wort „Jubiläumsfest“ eingeschlichen. „Jubiläumsfest?“ Je länger wir draufstarrten, desto fremder starrte es zurück. Jubiläum, vom lat. annus jubilaeus, das hat zu tun mit Jubel und Jubilieren, einem gewissen jubilatorischen Triumph beim Anblick des eigenen Spiegelbilds gar, das zumindest bei Lacan bekanntlich unter dem Verdacht der Verkennung steht. Grimms Wörterbuch spricht unter dem Stichwort „Jubel“ vom jauchzenden geschrei der hirten und soldaten ebenso wie vom wortlosen langgezogenen musicalischen frohlocken am ende eines kirchengesanges. Der Anlaß solch triumphalen Frohlockens soll hier wie dort die Wiederkehr eines besonderen Datums sein, Geburtstag, Hochzeitstag oder Firmengründung nach 10, 20 oder 50 Jahren – daß man die Zeiten überdauert hat, daß man noch lebt, scheint Grund genug zum jauchzenden Geschrei. Da haben wir uns schön was eingebrockt mit diesem Wort, und sei es nur die Versuchung, uns auf unsere Anfänge zu besinnen – ein Unterfangen, daß stets gewisse Risiken in sich birgt. Doch sei’s drum. Ich datiere die ersten Anfänge des Psychoanalytischen Salons gerne auf ein zufälliges Zusammentreffen von Edith Seifert und mir an der Mülltonne, wo wir, uns gleichzeitig einiger Abfälle entledigend, beschlossen, daß etwas zu tun sei für die Psychoanalyse. Ausschlaggebend dafür war ein gewisses Ungenügen an herrschenden Formen der Institutionalisierung ebenso wie der Wunsch, dennoch eine Form der Öffentlichkeit herzustellen, eine andere Form, diesseits berufsständischer Sicherungserwägungen und Machtverknotungen. Denn wenn sich der psychoanalytische Diskurs auch nicht auf die Konsistenz von Körperschaften stützen kann, so ist Psychoanalysieren dennoch keine Privatangelegenheit. „Die Psychoanalyse braucht öffentlichen Raum“, so hat Mai Wegener das damals in ihrer Eröffnungsrede formuliert, „Psychoanalytiker müssen veröffentlichen, öffentlich sprechen. Sie brauchen, kurz gesagt, Publikum. Der Erfinder der psychoanalytischen Theorie des Unbewußten, Freud, hat immer Publikum gebraucht zur Ausarbeitung seiner Gedanken.“ Die Form, die wir uns nach langen Debatten gegeben haben – an dem knappen Schrieb, den wir schließlich in die psychoanalytische Welt geschickt haben und der heute „statt einer Satzung“ auf unserer Homepage steht, haben wir, wenn ich mich recht erinnere, sage und schreibe ein halbes Jahr lang gebastelt und gefeilt – die Form, die wir uns gegeben haben, trägt unsere Arbeit seit mittlerweile 10 Jahren, und das ist immerhin beachtlich. Ob es Anlaß zum Jubel ist, weiß ich nicht, und sei’s nur, weil man sich fragen kann, ob eine solche Form wie die unsere überhaupt ‚jubiläumsfähig‘ ist. Sie ist so prekär, diese Form, so angewiesen auf ein Sprechen- und Zuhörenkönnen je und je, daß jauchzendes Geschrei und langgezogenes Frohlocken ihr gar nicht angemessen scheint. (Auch von der Couch oder aus dem Sessel, der dahinter steht, hört man solche Töne eher selten.) Und setzt ein Jubiläum nicht den distinkten Akt einer Gründung voraus, auf den es sich bezieht? Ein Datum hat es freilich damals gegeben, den 6. Februar 1998, an dem fand etwas statt, was wir sehr bewußt nicht „Gründung“, sondern „Eröffnung“ genannt haben (es freut mich heute noch, daß der Ort dieses Eröffnungsgeschehens sich „Institut Unzeit“ nannte). Und eröffnet, nicht gegründet werden sollte ein Raum, in dem nicht Mitglieder sich versammeln, sondern das Sprechen der Einzelnen das Sprechen der Einzelnen bleiben kann, ohne darum als rein private Meinungsäußerung gelten zu müssen. Ein Raum, in dem psychoanalytische Reden und Wege – und bisweilen auch Klingen – sich kreuzen können. Ein Raum, in dem man ausdrücklich nicht derselben Meinung sein oder derselben Schule angehören muß in Sachen Psychoanalyse. Eine der größten Stärken dieses Raums – angesichts der langen Sezessionsgeschichte psychoanalytischer Institutionen wage ich dieses Eigenblob – ist es vielleicht, daß er viel Dissens aushält, sowohl unter uns vieren als auch – bisweilen – unter unseren Gästen. Wo Dissens ist, steht was auf dem Spiel, und wo was auf dem Spiel steht, ist Leidenschaft. Das kann nur gut sein für die Sache der Psychoanalyse. Wir bedauern es manchmal, daß viele, mit denen wir auch gerne streiten würden, den Weg zu uns nicht finden. Sie bleiben offenbar lieber einig in ihren Vereinen. Daß ein solcher Raum eröffnet werden konnte und daß er noch offen ist, das ist – Jubiläum hin oder her – Grund für uns zu feiern. Wir geben dieses Fest uns und denen – Ihnen, Euch -, die durch ihr Kommen und Wiederkommen, durch ihr Reden und Widerreden diesen Raum mit uns aufhalten. Mögen sie jauchzen und frohlocken oder auch nicht – daß es solche Räume gibt (wir erheben nicht den Anspruch auf Einzigartigkeit) scheint mir eminent wichtig zu sein für die Übermittlung von Psychoanalyse. Die Räume, in denen wir heute feiern, sind übrigens – manche werden es wissen – die eines ehemaligen Bordells. Es trug den Namen „Sophias Beherbergungsbetrieb“. Auch das freut mich.
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