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Rede zum 10jährigen Bestehen des Salons von Edith Seifert
Jahrestage sind wie Geburtstage in der Regel Gelegenheiten, seine Wünsche vorzubringen. Sie sind quasi Wunschtage. Auch Psychoanalytikern ist das Wünschen nicht gerade unbekannt, sie haben im Gegenteil ihre speziellen Erfahrung damit, wissen nämlich, dass diese auch jenseits solcher Anlässe zu allen Zeiten laut werden. Psychoanalytiker erzählen sich und anderen sogar noch das Märchen, dass das Wünschen irgendwie helfen könnte, auch wenn sie dabei- nicht erwarten, dass die Wünsche direkt in Erfüllung gehen, sondern – mit Freud – höchstens im Traum eine Wunscherfüllung sehen. Psychoanalytiker sind aber nicht einfach der Auffassung, dass das Wünschen nur bedingt helfen kann, sondern wissen auch zu berichten, wie gefährlich es ist. Sie ahnen immer schon die damit verbundenen Enttäuschungen voraus, beispielsweise eine, wie sie dieser Mann der unklugen Frau erlebte, der die Fee im Märchen die Erfüllung von 3 Wünschen versprach. Triebhaft und unklug wie Frauen nun einmal sind, hatte diese Frau es mit dem Wünschen denn auch nicht richtig gemacht und zunächst nur an die Befriedigung ihres nächstliegenden Wunsches: ein schönes Würstchen gedacht. Aus Enttäuschung über die verfehlte Gelegenheit wie aus Rache an dem verfluchten Ehegesponst wünschte dieser Mann der Frau, – Sie kennen die Geschichte – bei dem 2. Wunsch, den er dann in die Hand nahm, die verdammte Wurst an ihre Nase, woraufhin ihm zum Schluss – weil er sie so auch wieder nicht lassen konnte – nichts anderes übrig blieb, als die Wurst von dort wieder weg zu wünschen. Womit sich das ganze schöne Wünschen zum Schluss als ein kleines, hoffentlich aber feines, Wunsch-Würstchen herausstellte und dieses Märchen über die Wunscherfüllung – möglicherweise auch die des Unbewußten – eine mehr als deprimierende Angelegenheit wäre. Bei der Gelegenheit unseres Jahrestags möchte ich mir deshalb ein paar bessere Wünschchen ausdenken. Wünsche, die nicht so verderblich, sondern sublimierter und haltbarer sind, und die mir für unserer Arbeit im Salon, die wir mit der Lacanschen Psychoanalyse arbeiten, passend erscheinen Der allgemeinen Gefährlichkeit von Wünschen eingedenk will ich meine Wünsche aber etwas zurückhaltend formulieren, erinnere auch daran, dass die Wünsche eines Wünschenden für diesen selbst nicht unbedingt angenehm sein müssen und dass sie vor allem diejenigen, denen sie vorgetragen werden, sehr wohl missbilligen dürfen. Wünsche müssen nicht in Erfüllung gehen, sie könnten sich wohl möglich noch als Alpträume entpuppten!
1. In diesem Sinne wünsche ich mir zunächst und an 1. Stelle für die Lacansche Psychoanalyse, dass ihre Formeln, Floskeln und Worthülsen einen Gutteil ihrer kategorischen Drohung verlieren, auf dass – um zunächst beim Wünschen zu bleiben – z.B. die berühmte Begehrensformel„ ne pas cédez sur son désir“ nicht wie die Drohung eines Standhaltenmüssens, eines in seinem Begehren Standhaltens, klingt. 2. Etwas mehr gewagt, wünsche ich mir für die Psychoanalyse Lacanscher Art dann ganz allgemein andere Umstände. Dass das Zufallsprinzip/die Arbitrarität, die nach Lacan das Verhältnis zwischen Signifikant und Signifikat bestimmt, in Deutschland auch die Wahl eines Psychoanalytikers bestimmen kann. Soll heißen, dass Lacansche Psychoanalytiker in Deutschland nicht gänzlich antikapitalistisch die Ökonomie der Verausgabung nach Art verträumter (und masochistischer) Südseevölker pflegen, während die moderne Restanalytikerwelt dem politisch gestützten Geben und Nehmen einer scharf kalkulierenden. Krankenkassen-Gemeinschaft frönt. Ihre Missbilligung in Kauf nehmend – wünsche ich mir weiter, dass der Beruf (sofern es in dieser Sparte so etwas geben kann) des Lacanianischen Psychoanalytikers nicht immer wieder der zwar ‚identitätsstiftende Hauptberuf´, real aber ausgeübte Dritt- und Viert-Beruf ist. Um dem entgegen zu arbeiten wünsche ich mir 3., dass die narzisstischen Differenzen, Grenzen und Eitelkeiten zwischen den Vereinigungen, Gruppen und Grüppchen durchlässiger werden und auch Lacanschen Psychoanalytikern der Einfall kommt, dass sie Netzwerke oder (Deleuzsche) Rhizome bilden können. Sogar solche, bei denen sie nicht fundamental konkurrent wie Katze und Maus, sondern ungleich und trotzdem tierisch entspannt wie Katze und Pavian sein dürfen. (Dies nicht zuletzt, um dem Missverhältnissen und Absurditäten wie solchen unter Wunsch 2 genannten: Dritt-Beruf mit Erst-Identität entgegenzuwirken.) 4. wünsche ich mir, dass das anziehend Verrückte an der Lacanschen Psychoanalyse weiterhin spürbar bleibt, weil es das ist, was Spaß macht. Und 5. und zwar dringlich, dass die Psychoanalyse entzaubert wird, weil sie nicht alles ist, obwohl sie nicht eben wenig ist. 6. Und zum Schluss – meiner über Gebühr märchenhaften langen Wunschreihe – wünsche ich mir für unseren psychoanalytischen Salon, dass wir zuweilen mehr Geduld aufbringen und unsere manchmal vorschnellen Zungen besser hüten, uns manchmal vielleicht auch eines schwereren Zungenschlags bequemen: Auf diesen Wunsch erlaube ich mir das Glas zu erheben: Prost!
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